Es sollte mehr bleiben, als Gabriels Ergebnis!

18. Dezember 2015

Meine Eindrücke vom Bundesparteitag

Auf Parteitagen herrscht geschäftiges Treiben. Zwar ein etwas abgegriffenes Bild, aber in diesem Zusammenhang trifft es genau. In Berlin auf dem Bundesparteitag 2015 waren 600 Delegierte, zahlreiche Abgeordnete aus Bund und Ländern, die Parteispitze, viele hauptamtliche Mitarbeiter, Journalisten, Gebärdendolmetscher, Techniker, Funktionäre aus Verbänden und Organisationen, da kommen so viele Menschen zusammen, dass man schnell mal den Überblick verliert.

Den sollte man allerdings, wenn es um die Beschlüsse geht, auf jeden Fall behalten. Hunderte von Seiten gilt es als Delegierter zu lesen und ich habe mich durch die Themen durchgekämpft bis zur letzten Seite. Dazu kommen dann noch Anträge, die erst nach dem Druck des Beschlussbuches eingereicht werden, kurz vor Parteitagsbeginn, die gilt es dann während der drei Tage durchzuarbeiten. Zwei der wichtigsten Beschlüsse betreffen unsere „roten Linien“ bei TTIP und CETA und unsere integrative Flüchtlingspolitik. Sie sind durchaus nach-lesenswert!

Dass Sigmar Gabriel „nur“ knapp 75 Prozent der Delegiertenstimmen erhalten hat, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Er polarisiert, keine Frage, aber er ist unser Vorsitzender und kann es nicht allen recht machen. Es gibt Standpunkte, die keinen Kompromiss zulassen, und es gibt Standpunkte, die verhandelbar sind. In einer großen Koalition ist das Verhandeln genauso wichtig wie die sogenannten „roten Linien“. Über diese einmal definierten Linien dürfen dann aber auch Kompromisse nicht hinausgehen und verlässliche Aussagen dürfen nicht in zu vielen Kompromissen verwässert werden, sonst manövrieren wir uns als Partei ins Abseits und gelten nicht mehr als verlässlicher Koalitionspartner.

Bundesparteitag 2015 in Berlin

Sigmar Gabriel und seine Bundestagskolleginnen und -kollegen haben gerade ihre Halbzeitbilanz vorgestellt: Mindestlohn, Frauenquote, Rente, Bildung, Wohnen, Asyl, Klimaschutz, Pflege – wir haben doch Erfolge vorzuweisen! Die 75 Prozent sind kein gutes Ergebnis nach einer engagierten Parteitagsrede, in der Sigmar Gabriel auch strittige Themen offen und ehrlich angesprochen hat und dann in aller Klarheit auf die Vorwürfe der Juso-Vorsitzenden geantwortet hat. Darauf hat er meiner Ansicht nach richtig reagiert und die Wahl angenommen.

Mein persönliches Fazit des Bundesparteitags 2015 in Berlin:

  • Gute Redner:
    Frank-Walter Steinmeier hat mich mit seinem Erfahrungsbericht aus den Verhandlungen mit syrischen Vertretern sehr beeindruckt.
    Sigmar Gabriel hat engagiert für die politisch bedeutenden Inhalte der SPD gesprochen und war sehr souverän, offen und ehrlich.
    Gerhard Schröder hat uns mit seinem Auftritt und den Erinnerungen an Helmut Schmidt, Egon Bahr und Günter Grass berührt.
  • Gute Beschlüsse:
    TTIP und CETA
    Gute europäische Schutzstandards dürfen nicht sinken (beim Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz, beim Datenschutz, bei Kultur und öffentlicher Daseinsvorsorge).
    Ein transparenter Prozess, dem am Ende alle Länderparlamente und das Europäische Parlament zustimmen müssen. Keine undemokratischen Schiedsgerichte oder ähnliche demokratieaushebelnde Verfahren.
    Integrative Flüchtlingspolitik
    Unantastbar ist das Recht auf Asyl. Ganz egal, ob jemand irgendwann Asyl bekommt oder nicht: Jedem Menschen, der zu uns kommt, sollen angemessene Unterbringung und Versorgung garantiert werden. Im Bereich der Integration sieht die SPD zwei Aufgaben: Die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft und gleichzeitig die Integration und den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu sichern. Beides dürfe man nicht gegeneinander ausspielen.
  • Gute Gespräche:
    Parteitage sind auch dazu da, am Rande mit Organisationen und Verbänden ins Gespräch zu kommen und Kontakte zu anderen Genossinnen und Genossen zu knüpfen und zu vertiefen, gemeinsame Strategien zu planen und sich auch mal einen Rat zu holen.

Meine persönliche Bemerkung am Schluss:
„Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart.“
Noël Coward, der das gesagt hat, war zwar kein Politiker, sondern Schauspieler, Schriftsteller und Komponist, aber er hat trotzdem recht!

Teilen