Bahnstrecke Ulm-Augsburg: Die Planung auf die richtigen Beine stellen

04. November 2022

„Wie weiter? Die Region muss Vorteile haben!“ – so lautete der Titel der Veranstaltung der SPD Neusäß Ende Oktober. Schnell wurde klar, mit dem Thema hat die SPD den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Veranstaltung stieß auf großes Interesse. Um die 50 Personen diskutierten lebhaft und sehr fachkundig mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Harald Güller und mit dem Verkehrsexperten und ehemalige Geschäftsführer des Augsburger Verkehrsverbundes (AVV) und der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), Herbert König. Moderiert wurde der Abend von Christoph Rösch. Die Referenten zeigten den Sachstand auf und stellten aus ihrer Sicht wichtige Punkte für die weiteren Planungen und Entscheidungen zur Diskussion.

Güller und König sind sich einig: „Wir sagen ganz klar ja zum Gedanken des Deutschlandtaktes für den Schienenpersonenfernverkehr und für den Güterverkehr. Die Auswahl der dann gewählten Streckenvariante muss sich am Gesamtziel des Deutschlandtaktes orientieren. Heute blind in den Vordergrund gestellte einzelne Vorgaben sind zu hinterfragen und an einigen Stellen sicher zu korrigieren. Güller weiter: „Für mich ist keine der derzeitig vorgestellten Trassenvarianten in dieser Form eine Option, die umgesetzt werden sollte und kann.“ König ergänzt: „Die Zahlen des Deutschlandtakts liegen jetzt vor und sie zeigen: Die Zugzahlen im Fern- und Güterverkehr sind geringer als ursprünglich geplant. Der viergleisige Komplettausbau ist daher unnötig und die 26-Minuten-Vorgabe mit energiepolitisch fragwürdigen 300 km/h Höchstgeschwindigkeit führt nicht zu integralen Taktknoten in Augsburg und Ulm mit guten Anschlüssen, kann und muss also jetzt korrigiert werden. Dann werden auch wieder andere, deutlich verträglichere Ausbauvarianten möglich.“ Der SPD-Politiker Güller mahnt in diesem Zusammenhang an: „Bei all den Diskussionen ist mir eine Sache besonders wichtig. Wir dürfen uns in der Region, trotz unterschiedlicher Sichtweisen auf die Varianten, nicht auseinanderdividieren lassen. Es gilt jetzt, sich gemeinsam dafür einzusetzen, dass alle Varianten überplant werden, um dann wirklich die beste Lösung zu finden.“

Der Landtagsabgeordnete führt weiter aus: „Wichtig ist, klar zu erkennen, wer für was zuständig ist. Die DB-Netze sind nur die ausführende Kraft, Auftraggeber und somit Entscheider ist die Bundespolitik – in erster Linie das Bundesverkehrsministerium und dann schlussendlich der Bundestag. Forderungen direkt an die DB-Netze zu stellen und mit den Projektverantwortlichen vor Ort in Dialogprozesse zu gehen, ist zwar nett und bestimmt auch interessant, aber für das Hauptproblem, die festgeschriebenen Vorgaben so abzuändern, dass eine brauchbare Planung erreicht werden kann, nicht zielführend. Bei gleichbleibenden Prämissen bleibt es bei schlechten Ergebnissen und ist somit letztendlich sinnlos. “

Prämissen, die dringend zu überprüfen sind: die Fahrzeitvorgabe von 26 Minuten zwischen Augsburg-Ulm, die einzuhaltende durchgängige Geschwindigkeit von 300km/h sowie die durchgängige Viergleisigkeit. Der Verkehrsexperte König betont an dieser Stelle nochmal: „Diese Vorgaben sind nicht Ergebnis des Deutschlandtaktes, sondern waren die Vorgaben des Bundesministeriums für Verkehr für die Gutachter des Deutschlandtaktes. Anhand des entstandenen Fahrplanentwurfs muss man jetzt prüfen, ob die Vorgaben so richtig und notwendig waren – oder ob sie korrekturbedürftig sind. Meine deutliche Kritik: Genau das ist bis zum heutigen Tag aber nicht passiert.“ Güller: „Folglich plant DB-Netze munter mit überholten und falschen Vorgaben weiter – und das scheint sie nicht mal zu kümmern. Ein weiteres großes Defizit der heute vorliegenden Planungen ist, dass Verbesserungen der Situation für die Anlieger der Bestandstrasse nicht im Fokus stehen. Eine neue Trasse muss für uns aber auf jeden Fall mehr und einen gut vertakteten Nahverkehr mit zusätzlichem Lärmschutz und barrierefreien Bahnhöfen umfassen. Ohne diese Punkte wird es keine Akzeptanz, für welche Variante auch immer, in der Region geben können.“

König in der Veranstaltung: „Die bisherigen Trassenvorschläge der Bahn sind zudem nicht landschaftsverträglich, sozialverträglich, ressourcenschonend, volkwirtschaftlich effizient und auch nicht bedarfsgerecht. Außerdem fehlt bisher komplett die Untersuchung, wie die ganzen Züge über den Augsburger Hauptbahnhof geleitet werden und, welche Anschlusszeiten sich dort im Nah- und Fernverkehr ergeben. Güller: „Ebenso ist wegen der Kapazitäten gerade im Güterverkehr ein Augenmerk auf die Strecke Augsburg Richtung Donauwörth und Treuchtlingen zu legen.

Direkt an die zahlreichen Anwohner gerichtet, sagte König: „Eine Neubaustrecke an der Autobahn würde für die Anwohner in Neusäß und Westheim bedeuten: Mindestens 20-30 Jahre rollen die Züge unverändert. Wenn die Neubaustrecke überhaupt jemals genehmigt, finanziert, gebaut und fertiggestellt würde, verbleiben anschließend dennoch fast 60 Prozent der Züge auf der Bestandsstrecke – an der es aber dann trotz des Milliardenprojekts keinen zusätzlichen Lärmschutz und keinen Bahnhofsausbau gibt. Deshalb wäre die Alternative auch für Neusäß und Westheim eher besser: Ein wirklich bedarfsgerechter maßvoller Ausbau von Teilabschnitten der Bestandsstrecke mit gleichzeitiger Umsetzung von Lärmschutz und Bahnhofsmodernisierung – und damit früherem Nutzen für den Nahverkehr und früherem Lärmschutz für die Anwohner - und zwar dann dauerhaft für alle Züge!“

Harald Güller und Herbert König abschließend: „Über allem schwebt das Damoklesschwert der Finanzierbarkeit. Wir sind überzeugt, dass ohne Änderungen der Prämissen, auch die Finanzierung akut gefährdet ist – deswegen sind die Veränderungen ebenfalls dringend nötig.“

Neben Diskussionen und Fragen zu Streckendetails, zeigten die Anwesenden großes Interesse an den vorgestellten Positionen der Referenten. Ein Ergebnis des Abends war sicher, dass in Zukunft viel stärker Druck aus der Region zu einer Änderung von einzelnen Vorgaben der Planung gegenüber dem Bundesverkehrsministerium nötig ist. Güller und König stehen diesbezüglich auch mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrike Bahr, aber auch mit Vertretern anderer Parteien, im engen Austausch.

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