Behindertenhilfe braucht mehr Flexibilität statt Bürokratie

23. Juli 2020

Harald Güller besucht mit örtlichen SPD-Vertretern das Dominikus-Ringeisen-Werk im Kloster Holzen

Kloster Holzen ist ein besonderer Ort für besondere Menschen – für Menschen mit Behinderung. Was dort in den Werkstätten, Förderstätten und den Wohnprojekten geleistet wird, ist ein Segen für die Menschen und die Region. Träger ist die katholische Stifung Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW) und dieses muss immer wieder Geld investieren, um neuen Anforderungen und rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, um sich gesellschaftlichen Anforderungen anzupassen und nicht zuletzt auch, um den Mitarbeitenden ein gutes Arbeitsklima und Arbeitsumfeld bieten zu können. Das Leitbild „Jeder Mensch ist kostbar“ wird im Kloster Holzen genauso gelebt, wie an den Standorten in Meitingen und Nordendorf.

Meinungsaustausch
Meinungsaustausch zwischen der Leiting des Dominikus-Ringeisen-Werks und Vertretern der SPD im Landkreis Augsburg: Josef Liebl, Matthias Mark, Thomas Weigel, Harald Güller, Bernhard Christi (von links). Fotos: Annette Luckner

Derzeit baut das DRW eine neue Werkstätte in Meitingen, die zum Jahreswechsel in Betrieb gehen soll. Zum Meinungsaustausch und zur Besichtigung der Baustelle trafen sich Vertreter des Dominikus-Ringeisen-Werks mit Vertretern der SPD. Werkstattleiter Bernhard Christi betonte, dass nach der Corona-Zwangspause alle Betreuten sehr gerne wieder zur Arbeit gingen. „Arbeit ist auch für Menschen mit geistiger Behinderung sinnstiftend und das soziale Umfeld hat vielen in dieser Zeit sehr gefehlt“, betonte er. In den Werkstätten werden Menschen mit einem hohen Hilfebedarf betreut und alle freuen sich schon auf den Umzug in die neuen Räumlichkeiten. Bis zum Spatenstich war es ein langer Weg, denn wer öffentliche Fördermittel will – ohne die wäre der Neubau nicht möglich gewesen – muss viele Vorgaben erfüllen, viele Formulare ausfüllen, viele Gespräche führen. Das Grundkonzept der Förderstruktur in Deutschland sei einfach zu kompliziert, sagte Josef Liebl, als Vorstandsmitglied im DRW für die Region zuständig. Industrielle Fertigung, Keramikarbeiten, Hauswirtschaft, Landschaftspflege, Naturwerkstatt und Metallbearbeitung sind die Tätigkeitsfelder, die das Ringeisen-Werk an seinen Standorten im Landkreisnorden für Menschen mit Behinderung anbietet.

Tiny-Häuser
Die ersten Tiny-Häuser stehen bereits, selbst gefertigt in den eigenen Werkstätten: Arnold Pfeifer, Harald Güller, Josef Liebl, Matthias Mark, Fabian Wamser (von links).

Zusammen mit dem stellvertretenden Einrichtungsleiter Arnold Pfeiffer zeigte er am Standort in Kloster Holzen die neueste Idee der Werkstätten: Tiny-Häuser. Drei der Kleinsthäuser, in denen Menschen mit Behinderung leben, sind bereits aufgebaut. Das Besondere daran ist, dass sie unter Beteiligung der Werkstätten in Ursberg produziert und demnächst auch verkauft werden an Interessenten außerhalb des DRW. Diese Wohnform gefällt nicht nur den Betreuten, sondern auch die SPD-Vertreter aus dem Landkreis Augsburg waren sehr angetan. Der Augsburger Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende der SPD im Kreistag, Harald Güller, Kreisvorsitzender Fabian Wamser, SPD-Ortsvereinsvorsitzender und Gemeinderat in Meitingen, Matthias Mark, und Thomas Weigel, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Nordendorf und gleichzeitig Gruppenleiter in der Werkstatt und Vorsitzender der Mitarbeitervertretung im DRW, waren sich schnell einig, dass dieses Geschäftsmodell sicher zukunftsfähig sein wird.

Kloster Holzen Besprechung

Weniger erfreut zeigten sich alle miteinander von den Vorgaben der Ausführungsverordnung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes. Harald Güller hatte sich im Vorfeld die gut 30 Seiten durchgelesen und sagte trocken: „Ich verstehe jetzt, warum die Einrichtungen so über diese Verordnung schimpfen.“ Helfen würde Josef Liebl, wenn in der Behindertenhilfe besser differenziert würde, die Flexibilität größer wäre. Er wünscht sich mehr Augenmaß, ansonsten fürchtet er, dass es zum Verlust von Wohnplätzen kommen werde und so die Versorgungssicherheit auf längere Sicht gefährdet sei. Dem stehe sogar ein spürbar steigender Bedarf gegenüber , so Liebl und Pfeiffer unisono.

Gesprächsrunde

Im Dominikus-Ringeisen-Werk ruht man sich nicht auf Erreichtem aus, sondern versucht immer wieder innovative Ideen und gesellschaftliche Herausforderungen aufzuspüren und zu integrieren. In Ursberg, sozusagen dem „Stammhaus“, befindet sich das kleinste Krankenhaus Bayerns. Es ist speziell für Menschen mit geistiger Behinderung konzipiert und Josef Liebl setzt auf eine enge Verzahnung und Vernetzung mit dem geplanten Interdisziplinären Medizinischen Zentrum für Menschen mit Behinderungen, das auf Beschluss des bayerischen Ministerrats an der medizinischen Fakultät der Universität Augsburg angeschlossen werden soll. Harald Güller kann sich eine enge Zusammenarbeit und vielleicht sogar direkte Anbindung am Standort Ursberg gut vorstellen und wird diese gerne unterstützen. Neben verschiedensten Angeboten für Kinder und Senioren stehen Menschen mit Behinderungen, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen und mit erworbenen Hirnschädigungen im Fokus der Versorgung des DRW.

Außenansicht

Gestreift wurden noch verschiedene aktuelle Themen. Inklusion im Sportverein, wo Josef Liebl dem Sportpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Harald Güller, die Probleme schilderte. Insgesamt plädierte er für eine Reduzierung der Arbeitszeit in stationären Wohneinrichtungen, denn bei vielen Mitarbeitenden komme es durch die emotional fordernde Tätigkeit und Schichtdienstmodelle zu hoher Belastung. Eine gutes Umfeld des Arbeitsplatzes und lebensphasenorientierte Gestaltungsmöglichkeiten werden deshalb in den Einrichtungen des DRW besonders hervorgehoben.

Moderne, technische Assistenzsystem und Kommunikationssysteme (u. a. Unterstützte Kommunikation) werden derzeit in Kooperation mit Hochschulen und Universitäten in verschiedenen Pilotprojekten im Alltag getestet. Liebl bedauerte es sehr, dass wenig Fördermittel für diese Themen zur Verfügung stehen und hob die große Unterstützung durch die „Aktion Mensch“ in diesem Bereich hervor.

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