Cannabis legalisieren?

09. Februar 2018

Vor einiger Zeit habe ich für einen Journalisten zum Cannabiskonsum und -verbot einige Fragen beantwortet. Weil dieses Thema jetzt wieder mit der Forderung nach einer Legalisierung von Cannabis durch den Bund Deutscher Kriminalbeamter in die Medien gelangt ist, möchte ich meinen Standpunkt dazu auch hier auf meiner Homepage veröffentlichen.

1. Sehen Sie die deutsche Drogenpolitik in Bezug auf Cannabis für erfolgreich an oder wird sich in den kommenden Jahren etwas ändern müssen?

Die deutsche Drogenpolitik ist in Bezug auf Cannabis alles andere als erfolgreich, obwohl sich in den vergangenen Jahren schon einiges getan hat. Laut dem Weltdrogenreport der Vereinten Nationen von 2012 ist Cannabis die am meisten gebrauchte verbotene Substanz der Welt. Tendenz steigend – trotz aller Verbote. Bis zu vier Millionen Deutsche konsumieren regelmäßig Cannabis. Die repressive Prohibitions-Politik hat versagt (wie auch beim Alkohol). Der Schildower Kreis, ein Netzwerk von Experten aus Wissenschaft und Praxis, hat es treffend zusammengefasst: „Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch.“ Der richtige Weg ist, einen legalen und staatlich regulierten Markt für Cannabis zu schaffen. Das haben Länder wie die Niederlande, Portugal, Uruguay und fünf US-Staaten schon erkannt und setzen es um.

Ein erster bedeutender Schritt in Deutschland ist die Freigabe von Cannabis für Patienten, die damit ihre Schmerzen lindern können. Allerdings kommen Schmerzpatienten bisher nicht immer und überall problemlos an das für sie so wichtige Medikament heran. Die Hürden sind noch viel zu hoch.

Zusammen mit der SPD-Landtagsfraktion sehe ich neun gute Gründe für eine Entkriminalisierung:

  • Das Verbot (Prohibition) des Konsums von Cannabis-Produkten ist gescheitert

Der Konsum ist längst gesellschaftliche Realität. Fast ein Viertel aller Deutschen hat schon mindestens einmal Cannabis konsumiert. Und die Zahl steigt.

  • Cannabis ist keine Einstiegsdroge

Von den vorbezeichneten 25 % sind es bei der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen 41 %, bei der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen 35 %. Sie sind so gut wie alle nicht süchtig geworden (und auch nicht auffällig). Zur Sucht führen vielmehr die harten und die Designer-Drogen (vor allem Crystal), die ohne "Umweg" über Cannabis konsumiert werden. Dass Cannabis keine Einstiegsdroge ist, beweist am besten die Entwicklung in den Ländern, in denen eine Entkriminalisierung stattgefunden hat. Eine Untersuchung der WHO (2008) stellte fest, dass in den Niederlanden der Konsum von Cannabis wesentlich niedriger war als in den USA mit seiner Prohibition.

  • Die gesellschaftliche Einstellung zum Konsum von Cannabis hat sich geändert

Die Gesellschaft hat zur Kenntnis genommen, dass der Konsum von Cannabis nicht ungefährlich ist, aber auch nicht so gefährlich wie früher dargestellt - und vor allem nicht mit der Gefährlichkeit von Alkohol zu vergleichen ist. Während 2012 noch 56 % der Deutschen für eine stärkere strafrechtliche Verfolgung waren, sind es 2015 nur noch 38 %. 37 % plädieren für eine Legalisierung, in den USA sind es schon über 53 % (April 2015).

  • Es gibt keinen medizinisch dokumentierten Fall, dass der Konsum von Cannabis bzw. eine Überdosis zum Tod geführt hat

Im Gegensatz dazu stehen weltweit jährlich tausende von Tote durch Alkoholmissbrauch. In Deutschland sterben jährlich 15.000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums, wie das Statistische Bundesamt im Juni 2014 mitteilte.

  • Die Polizei hat mehr Zeit für das richtige Verbrechen

95 % aller Cannabis-Verfahren werden als Bagatell-Delikte wegen Geringfügigkeit eingestellt (BDK). Das kostet den Steuerzahler jährlich zwei Mrd. Euro, die sich der Staat sparen könnte – abgesehen vom Frust des Polizeibeamten wegen unergiebiger Arbeit.

  • Der Konsument wird nicht mehr kriminalisiert

Auch das eingestellte Verfahren bleibt in den Akten und kriminalisiert damit vor allem junge Menschen, was sich gerade bei der Berufssuche negativ niederschlagen kann. Der Besitz von 5, 6 oder 15 Gramm zum Eigengebrauch kann ein Leben ruinieren. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit?

  • Der staatlich kontrollierte Anbau und Vertrieb von Cannabis wird jährlich zwei Mrd. Euro an Steuern und Abgaben erbringen

Das ist keine Phantasie-Zahl, sondern die umgerechneten Ergebnisse aus den Niederlanden und Portugal, aber auch die ersten Ergebnisse der US- Bundesstaaten Alaska, Colorado, Hawaii, Oregon und Washington. (Bei der National Conference of State Legislators in Seattle im August 2015 haben mehr als die Hälfte der Teilnehmer erklärt, dass sie dem Beispiel der fünf vorgenannten Staaten folgen wollen.) Und staatlich kontrolliert heißt: Festlegung von Altersgrenzen, des Wirkstoffes THC, von Qualitätsanforderungen für Plantagen und Vertrieb – also echter Verbraucherschutz.

  • Durch die staatlich kontrollierte Legalisierung wird die Rauschgift-Mafia zurückgedrängt

Bisher werden auf Grund der Verbote der Anbau und der Handel nur durch Kriminelle abgewickelt. Diesen wird damit "elegant" die Geschäftsgrundlage entzogen. Für Cannabis wird es keinen Schwarzmarkt geben bzw. werden sich die Strafen für die Abgabe von Cannabis an Jugendliche drastisch erhöhen.

  • Der Stoff wird sauber

Durch die staatliche Kontrolle erhält der Konsument die Garantie für die Sauberkeit des Stoffes. Im jetzigen Schwarzhandel weiß der Konsument nie, ob und wie der Stoff gestreckt worden ist, und ob nicht sogar härtere Drogen zum "Anfüttern" beigemischt wurden.

2. Erkennen Sie eine Ungerechtigkeit gegenüber Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr (THC-Grenzwerte, MPU, soziale/berufliche Folgen usw.)?

Ja, ich erkenne Ungerechtigkeiten. Wer kifft, verliert seinen Führerschein schneller als derjenige, der Alkohol trinkt. Der Grenzwert liegt derzeit bei einem Nanogramm THC (Tetrahydrocannabinol). Wer darüber ist, muss mit Führerscheinentzug, Bußgeld und Punkten in Flensburg rechnen, obwohl der Cannabiskonsum schon Tage her sein kann, er also gar nicht mehr „high“ ist. Die Substanz baut sich zum Teil sehr langsam im Körper ab. Ein Joint am Abend kann so schnell am nächsten Morgen zum Verhängnis werden, wenn man in eine Kontrolle gerät. Ein Bier direkt vor dem Starten des Fahrzeugs hätte keinerlei Konsequenzen, wenn 0,3 Promille nicht überschritten werden. Das ist ungerecht. Unter Juristen und Medizinern ist der niedrige Grenzwert umstritten, in der Schweiz liegt er bei drei Nanogramm THC. Wer zum ersten Mal mit einer sehr geringen Menge THC im Blut erwischt wird, ist mit ziemlicher Sicherheit seinen Führerschein los. Wer Alkohol trinkt, hat weniger harte Konsequenzen zu fürchten, auch das ist ungerecht. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten, gemeinhin als „Idiotentest“ bekannt, wird oftmals angeordnet, um zu prüfen, ob der Cannabiskonsument geeignet ist, ein Fahrzeug zu führen. Wer Alkohol trinkt, muss nicht so schnell zum Test. Studien zeigen, dass drei bis vier Nanogramm THC mit 0,3 bzw. 0,5 Promille vergleichbar wären. Das wäre gerecht.

3. Viele Legalisierungsbefürworter nutzen Argumente wie eine "Kriminalisierung von Jugendlichen" oder eine "Unterstützung des Schwarzmarkts"(speziell auch für Flüchtlinge verlockend) gegen die staatliche Repression der Droge. Wie ist Ihre persönliche Meinung zu einer Legalisierung der "weichen Droge Cannabis" in Deutschland, wie es beispielsweise mittlerweile in einigen US-Staaten gehandhabt wird? Was spricht dafür und was dagegen?

Meiner Meinung nach spricht alles für eine Entkriminalisierung, nichts spricht dagegen. Wenn es weiter beim Verbot bleibt, müsste der Staat konsequenterweise alles verbieten, was gefährlich sein könnte, zum Beispiel Alkohol oder Motorradfahren. Da sagen wir doch alle, wenn ich mit meinem Verhalten niemand anderen gefährde und alles im üblichen Rahmen stattfindet, dann entscheide ich doch selber, ob ich das will oder nicht. Nur bei Cannabis soll das anders sein? Das ist doch nicht nachzuvollziehen. Die harte Drogenpolitik der Staatsregierung führt zu einer massiven Belastung von Polizei und Justiz ohne nennenswerte positive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Ich sage aber auch ganz klar: Eine Entkriminalisierung von Cannabis bedeutet nicht automatisch, dass man den Konsum befürwortet oder gar fördern will. Selbstverständlich brauchen wir eine umfassende Drogenaufklärung, ich will Cannabis nicht verharmlosen. Aber es ist dringend erforderlich, die Konsumenten von Cannabis aus der Kriminalitätsecke herauszuholen. Die drastischen Folgen einer Strafverfolgung sind einfach unverhältnismäßig.

Teilen