Diebstahl im Namen der Brauchtumspflege

24. April 2017

Auch wenn in Bayern Brauchtum großgeschrieben wird, ist nicht alles erlaubt. Jedes Jahr erwartet der Augsburger SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller mit Spannung die – auf frühere Nachfragen von ihm immer wieder angekündigten – amtlichen und unbürokratischen Erleichterungen rund um den Maibaum. Er hatte gehofft, dass einige Fragen im „Leitfaden für Vereinsfeiern“ beantwortet werden würden, den das bayerische Innenministerium demnächst herausgeben wird, doch weit gefehlt.

Der Transport der Baumstämme wird in dem Geheft, das gerade gedruckt wird, gar nicht drinstehen. Er stelle nämlich keine Vereinsfeier dar und stehe mit einer solchen auch nicht zwingend im unmittelbaren Zusammenhang, heißt es aus dem Ministerium. Bei entsprechender Nachfrage könnte in einer späteren Neuauflage die Thematik mit aufgenommen werden.

Nachfrage, um ein für alle Mal Klarheit zu schaffen, ist über das „Sorgentelefon Ehrenamt“ möglich: 089/1222212. In der Servicestelle melden sich äußerst freundliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Fragen entweder selbst beantworten können oder die Fragen an die richtige Stelle vermitteln. Es dauert nur wenige Tage, bis die Antwort kommt. Fragen zum Maibaumtransport können allerdings nicht direkt beantwortet werden, hat ein Anruf von Harald Güller beim Sorgentelefon gezeigt. Sie werden weitergeleitet.

Also hat der Politiker, wie jedes Jahr, im Innenministerium nachgefragt: Was gibt es Neues, was ist zu beachten? Es gilt ein Schreiben der Regierung der Oberpfalz vom April des vergangenen Jahres, in dem alles geregelt ist, allerdings in bestem Juristendeutsch verfasst mit Verweisen auf das Straßenverkehrsrecht, Paragraphen und Ausnahmen. Vereinfacht dargestellt steht drin:

Das Beste ist, wenn der geklaute Maibaum beim Abtransport durch eine Sperrung von Technischem Hilfswerk (THW) oder Feuerwehr (FFW) gesichert wird. Sperrung heißt in diesem Fall nicht, dass alle Straßen gesperrt werden müssen, sondern dass höchstens Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf und der Baum auf dem Fahrzeug von THW oder FFW begleitet wird. Ob das allerdings eine wirklich praxistaugliche Auskunft für den Maibaumklau ist, bezweifelt der Abgeordnete.

Zu beachten ist auch, dass die zulässigen Abmessungen, Achslasten und Gesamtgewichte nicht überschritten werden. Hier hilft dann ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen, der bescheinigt, dass keine Bedenken gegen die Verkehrssicherheit bestehen.

Tröstlich: Grundsätzlich ist der Transport des geklauten Maibaums „nach Maßgabe der Mindestanforderungen der 2. AusnahmeVO“ genehmigungsfrei. Bis auf den kleinen Umstand (Achtung: keine Satire), dass gegebenenfalls eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde nötig ist, wenn wegen der Baumlänge die „Kurvenlaufeigenschaften“ nicht eingehalten werden. Aber zur Beruhigung der Gemüter: Wenn man so was vor dem Maibaumdiebstahl beantragt, sind die Behörden zur Verschwiegenheit verpflichtet, das hat eine Anfrage von Güller in der Vergangenheit ergeben.

Und wunderschön formuliert: Das gilt nicht nur für den Maibaumdiebstahl, sondern auch „inkl. Rücktransport nach erfolgreichen Verhandlungen“. Bei der Höhe der Auslöse mischen sich die Behörden übrigens nicht ein. Darüber ist in den Vorgaben zumindest nichts zu finden. Zum Thema Verhandlungen noch ein Tipp: Vielleicht kann man ja auch mit dem eventuell nötigen Gutachter über eine Beteiligung an Bier und Brotzeit verhandeln.

Noch eine Info aus einer Antwort der letzten Jahre: Die Benutzung eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs mit grünem Kennzeichen auf öffentlichen Straßen ist auch bei einer zurückgelegten Entfernung von über 20 Kilometern zulässig.

Alles klar? „Es ist mir schleierhaft, warum ausgerechnet der Maibaumklau nicht in dem Leitfaden drinsteht und warum es so enge Regelungen gibt“, ärgert sich Harald Güller. „Wenn am Sorgentelefon keine sofortige Auskunft gegeben werden kann, weil die Sache nach wie vor zu kompliziert scheint, müssen die Vorschriften nochmals überarbeitet werden.“ Die jetzigen Regelungen seien für Vereine oder „Burschen“ ärgerlich und erschweren deren „Arbeit“. Güller ist das alles immer noch zu kompliziert: „Förderung von Brauchtum durch unbürokratische Lösungen sieht für mich anders aus. Irgendwann wird es zum Schluss noch darauf hinauslaufen, dass ministeriell vorgeschrieben, auch vegane Wurstsemmeln angeboten werden müssen, die aber dann nicht Wurst-Semmeln heißen dürfen."

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