Endlich! Selbst der Bayerische Ministerpräsident nimmt die reale Lage und die Notwendigkeit von Lockerungen und vor allem für klare Vorgaben für weitere Öffnungen zur Kenntnis: Im Interesse jedes Einzelnen von uns, und zwar von Jung und Alt, im Interesse unserer Wirtschaft, aber auch im Interesse von Sport und Kultur. Ich hoffe, damit hat das Zaudern, die ewige Besserwisserei und die bisher immer im Vordergrund stehende Selbstprofilierung ein Ende, und die Staatsregierung bekommt die Kurve, damit nicht weiteres Vertrauen bei den Menschen verspielt wird.
Leider wurde durch die bisherige Weigerung von Ministerpräsident Söder, sich dem Thema der Entwicklung konkreter Öffnungsszenarien zu widmen, wertvolle Zeit verloren. Nun gibt es endlich, sowohl im Beschluss der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin, als auch jetzt in der Folge in der „Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“ konkrete sowie gute Ansätze und Orientierungen. Die Regelungen gehen in die richtige Richtung, sind aber kompliziert in der Formulierung und bedürfen daher einer klaren und für alle verständlichen Kommunikation. Eine Aufgabe für alle demokratischen Parteien im Landtag: Die SPD ist dazu bereit. Das entspricht auch unserer konsequenten Positionierung in der Pandemie.
Aber Vorsicht: Wer die Zwischentöne in der Rede von Söder heute im Landtag gehört hat, wird bemerkt haben, er hält sich immer noch einige Türchen offen, um Lockerungen nicht umzusetzen oder dann möglichst wieder rückgängig zu machen. Nicht ohne Hintergedanken spricht er von der Gefahr eines „Großen Osterlockdowns“. Die Idee, Inzidenzwerte von 35 oder gar 10 oder 5 zum Handlungsmaßstab zu machen, sind aber in der Rede, korrekterweise, nicht mehr aufgetaucht. Ob sie auch aus dem Kopf des Ministerpräsidenten verschwunden sind, bezweifle ich.
Ich finde ich es brandgefährlich, wenn Söder die jetzt in weiten Teilen der Gesellschaft positiv verankerte Priorisierung bei den Impfungen, nach der Impfung der über 80-Jährigen, einfach über Bord werfen will. Was ist dann beispielsweise mit dem Versprechen, dass vorrangig auch Lehrerinnen und Lehrer und Personal aus dem Bereich der Kitas geimpft werden? Ein Vorgehen, das darauf hinausläuft, dass diejenigen, die zuerst beim Impfzentrum oder bei der Arztpraxis anstehen, die Impfdosen des heutigen Tages bekommen, wäre sicher nicht zielführend. Impfen so schnell wie möglich "ja", aber im Rahmen der Priorisierung. Meine Meinung: Es braucht weiter klare Regeln! Jede und jeder soll sich impfen lassen können; und jede und jeder kommt dran, wenn man nach der Priorisierung an der Reihe ist. Und gerade für Sonderfälle hat doch Söder extra eine Bayerische Impfkommission einberufen.
Kleine Randbemerkung: Als Abgeordneter der Opposition braucht man schon ein gutes Stück Gelassenheit, um zu ertragen, wie Söder bewusst gelangweilt, missmutig blickend und auf dem Handy tippend, auf seinem Platz sitzt. Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Interesse an einer offenen Diskussion und das Ringen um die beste Lösung für die Probleme, sieht anders aus.
Interessant, dass die Grünen zwar auf der einen Seite Kritik an der bisherigen Linie, und insbesondere der Umsetzung der Maßnahmen durch die Staatsregierung äußern, aber dann gerade für erwachsene Menschen keine Perspektive für Lockerungen sehen und mindestens so restriktiv sind, wie die Staatsregierung in den vergangenen Wochen. „Kinder und Jugendliche zuerst“, das klingt gut und hat natürlich einen richtigen Kern. Aber das machen wir doch gerade mit der Öffnung von Schulen und Kitas. Und natürlich gibt es auch bei der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit noch eine Menge zu verbessern. Es braucht aber auch eine Perspektive für die gesamte Gesellschaft! In allen anderen Bereichen abzuwarten, ist keine Lösung. Und wie heute im Landtag offene Jugend- und Kinderarbeit gegen geöffnete Baumärkte und Weißbier im Freien gegeneinander ausgespielt wurden, mag in den Ohren mancher Unterstützer der Grünen zwar gut klingen - das ist aber für die kommenden Wochen keine Perspektive für eine freie Gesellschaft. An dieser Stelle sind die Grünen in Bayern auf dem falschen Weg. Verantwortliche Öffnungsstrategien und deren Umsetzung müssen mehr leisten, als Gruppen gegeneinander auszuspielen.
Dringlichkeitsantrag der SPD: Verantwortungsvoll öffnen, mit einer klaren Impf- und Teststrategie!