„Steuerzahlergedenktag ist eine Falschmeldung des Steuerzahlerbundes“

Foto: Annette Luckner

14. Juli 2019

„Ob Steuerdschungel, Steuerbetrug, Steuerlast, Steueroase und was es sonst noch so alles gibt, eines bleibt beim Thema Steuern gleich: Zwischen dem persönlichen Gefühl, dem, was berichtet wird, und den Fakten, besteht oft eine große Kluft.“ Das war dem SPD-Landtagsabgeordneten Harald Güller schon klar, bevor er das Buch „Steuern – Der große Bluff“ von Norbert Walter-Borjans, dem früheren nordrheinwestfälischen Finanzminister gelesen hatte, doch bei der Lektüre wurde es ihm noch einmal so richtig bewusst.

Güller kennt sich aus, ist er doch haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, seit vielen Jahren Mitglied im Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags und dort war er auch schon eine Periode lang stellvertretender Vorsitzender. Er ist einer der ausgewiesenen Haushaltsexperten im Landtag und ärgert sich Jahr für Jahr aufs Neue über den Steuerzahlergedenktag, der jetzt gerade wieder vom Bund der Steuerzahler ausgerufen worden ist.

Wie jedes Jahr steht im Kern der Meldung des selbsternannten „Bundes der Steuerzahler“ zu einem von ihm festgelegten „Steuerzahlergendenktag“eine bewusste Verkürzung der Wahrheit. Die Rede ist davon, dass dem Bürger von einem Euro nur 46,3 Cent bleiben würden. Dies ist falsch! Oder kommen zum Beispiel Sozialabgaben, mit denen die Rente und die Gesundheitsversorgung des Einzelnen finanziert werden ihm nicht direkt zugute?

Güller bezeichnet den Gedenktag als „Falschmeldung“ und wirft dem Bund der Steuerzahler vor, sich als „Anwalt der kleinen Leute“ darzustellen, aber die Wirklichkeit sehe anders aus. Güller zitiert aus dem Walter-Borjans-Buch: „Nach eigenen Angaben gehören 60 bis 70 Prozent der Mitglieder zum gewerblichen Mittelstand.“ Das sei gar nicht so leicht in Erfahrung zu bringen, schreibt Walter-Borjans, denn auf der Website sei darüber nichts zu lesen. Der ehemalige Finanzminister weiter: „Für eine Institution, die für den transparenten Nachweis der Verwendung von Steuergeld eintritt, ist das nicht gerade vorbildhaft.“

„ZEIT online“ bläst in dem Artikel „Die Tea Party lässt grüßen“ vom 19. Juli 2017 ins gleiche Horn. Dort steht zum Gedenktag: „Die Berechnung allerdings ist falsch und nichts anderes als vulgärökonomischer Populismus.“ Der Artikel sei heute noch genauso aktuell wir vor zwei Jahren, betont Harald Güller. Dem selbsternannten Steuerzahlerbund gehe es wohl darum allgemein Stimmung gegen Steuern zu machen, um ihr Klientel zu bedienen.

Auch wenn er sich in seinem eigenen Bekanntenkreis umhört, ist die gefühlte Steuerlast höher als die tatsächliche. Medienberichte, wie über den Steuerzahlergedenktag, tragen zu diesem trügerischen Gefühl bei. „Wir dürfen Steuern nicht pauschal verteufeln,“ warnt Güller, „und den Eindruck erwecken, dass der ‚Normalbürger‘ erst ab diesem Zeitpunkt im Juli etwas für sich tut. Damit geht er der Lobby der Superreichen auf den Leim und das funktioniert auch deshalb so gut, weil die Medien im schnelllebigen Alltagsgeschäft Jahr für Jahr ohne große Recherche die Meldung des Steuerzahlerbundes verlautbaren.“

Schuld hätten seiner Meinung nach auch die politisch Handelnden, auch Haushaltspolitiker wie er, die dem Bund der Steuerzahler nicht energisch genug widersprächen und es versäumten, rechtzeitig Fakten zu liefern. Fakten stehen im Buch von Walter-Borjans mehr als genug und es ist eine Lektüre, die Güller nicht nur Fachpolitikern empfiehlt, sondern auch Journalisten und allen Bürgerinnen und Bürgern.

Dass Steuern grundsätzlich als etwas Schlechtes angesehen würden, was es zu vermeiden gelte, das ärgert den Haushaltsexperten maßlos: „Mit Steuern finanziert der Staat öffentliche Güter, von denen wir alle profitieren, zum Beispiel Straßen, und mit Sozialbeiträgen, die der Steuerzahlerbund fälschlicherweise in voller Höhe miteinrechnet, werden zum Beispiel die Renten mitfinanziert.“

Auch diejenigen, die ein mittleres bis gehobenes Einkommen haben, bräuchten einen Staat, der Sicherheit, Bildung, Gesundheitsvorsorge und öffentliche Infrastruktur biete. „Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung können sich alles leisten und manche von ihnen haben leider keinerlei Interesse, sich an der Finanzierung unserer Gesellschaft angemessen zu beteiligen“, ärgert sich Harald Güller. Da werde dann eben gerne Stimmung gemacht. Die Politik müsse, zusammen mit den Medien, vielmehr die Tragweite von Steuerbetrug und Steuertricksereien ins öffentliche Bewusstsein rücken: „Dabei handelt es sich um dreistellige Milliardenbeträge, das muss man sich mal vorstellen!“

Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Diese Entwicklung zurückzudrehen, darin sieht der Augsburger SPD-Landtagsabgeordnete eine der großen Aufgaben für die Steuerpolitik: „Mehr Steuerehrlichkeit gerade bei Einkommensmillionären und eine gerechtere Besteuerung von extrem hohen Einkommen, das ist es, was wir brauchen. Den damit gewonnenen Spielraum könnten wir zur Entlastung der mittleren, der normalen Einkommen nutzen und damit könnten wir Menschen mit niedrigen Einkommen helfen.“ Stimmungsmache wie vom Bund der Steuerzahler sei da kontraproduktiv.

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