Zwölf-Stunden-Schicht auf der Rettungswache in Diedorf im Landkreis Augsburg, Schichtbeginn sechs Uhr morgens. Ich fahre als zusätzlicher Mann auf dem Rettungswagen mit. Mein Fazit am Ende der Schicht gleich vorneweg: Hut ab vor dem Einsatz und dem fachlichen Wissen der Rettungsdienstler! Und das Ganze bei nicht gerade üppiger Bezahlung.
Die Aktion „Rollentausch“ hilft uns Landtagsabgeordneten, mal in den Alltag sozialer Einrichtungen hineinzuschnuppern. Einmal im Jahr öffnen sich dafür Türen speziell für uns Politiker zum Mitmachen. Danach sieht man manches mit anderen Augen und hat einen besseren Einblick – Praxis statt Theorie. Vor einigen Jahren war ich im AWO Sozialzentrum Hammerschmiede in der Intensivpflege. Dort werden unter anderem auch Patienten mit schwersten Schädel-Hirn-Verletzungen gepflegt.
Heuer nun also Rettungsdienst beim Bayerischen Roten Kreuz. Was wird der Tag wohl bringen, störe ich nicht mehr, als ich nütze, stehe ich nicht nur im Weg rum? Will ich wirklich so dicht dabei sein? Es ist ein komisches Gefühl, obwohl die beiden Rettungsassistenten Thomas Haugg (gleichzeitig Kreisgeschäftsführer beim BRK Augsburg-Land) und Christian Geier mir gleich alles erklären und im Laufe des Tages auch Arbeiten übertragen, denn ein Rettungswagen muss blitzsauber geputzt werden. Da kann ich mich dann nützlich machen, denn etwas tun können ist besser als nur zuzuschauen.
Mit Thomas Haugg, Kreisgeschäftsführer des BRK Augsburg-Land, beim Rollentausch.
Nebenbei bleibt Zeit für Gespräche, ob auf der Rettungswache oder in der Notaufnahme im Klinikum, wo immer gleich mehrere Rettungswagen-Besatzungen an der Arbeit sind. Gespräche zum Beispiel über die Ausbildung zum Notfallsanitäter. Der löst den heutigen Rettungsassistenten ab, Dauer und Inhalte der Ausbildung verändern sich und damit wird der Tätigkeitsbereich des nichtärztlichen Personals im Rettungsdienst größer. Diese Gesetzesänderung, die auch im Bayerischen Landtag aktuell beraten wird, finden Haugg und Geier sehr gut. Die Umsetzung des Gesetzes, vor allem die Finanzierung der Weiterqualifikation der vorhandenen Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter, stellt die Hilfsorganisationen vor große Herausforderungen. Doch durch die höhere Qualifikation kann mancher Patient schneller die eine oder andere Behandlung bekommen, auf die er bisher warten musste, bis der nachalarmierte Notarzt kam. Das kostet im Notfall Zeit, die der Patient beispielsweise mit Schmerzen ertragen musste, weil der Rettungsassistent kein Schmerzmittel spritzen durfte. Eine Verbesserung, von der alle Beteiligten profitieren werden.
Beim Geld wäre die ein oder andere Verbesserung auch hilfreich, denn für die Verantwortung, die jeder übernimmt, der im Rettungswagen seinen Dienst leistet, ist die Entlohnung einfach zu gering. Was dort geleistet wird, das wird einem erst so richtig bewusst, wenn man selber im Notfall auf Hilfe angewiesen ist oder eben mal die Rolle tauscht.
Einen Appell habe ich zum Schluss an alle Autofahrer, die das Martinshorn hören. Wer bisher völlig unbeeindruckt von einem Rettungswagen mit Blaulicht weitergefahren ist, als würde ihn das alles nichts angehen, den bitte ich ganz herzlich, ab sofort Platz zu machen und das Fahrzeug vorbeizulassen, es könnte für jemanden lebenswichtig sein! Und wer bisher in dem Fall sofort an Ort und Stelle stehen geblieben ist, um ja nichts falsch zu machen, den bitte ich ganz herzlich darum, mit Weitsicht die Lage abzuschätzen und dann sein Fahrzeug so zu platzieren, dass der Rettungswagen vorbeikommt. Auch das kann lebenswichtig sein! Meine Blaulichtfahrten waren durchaus interessant und ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, mit überhöhter Geschwindigkeit rote Ampeln zu passieren oder entgegen der Fahrtrichtung in Bundesstraßen einzubiegen, um schnell den Unfallort zu erreichen, den man schon sehen kann. Da wird man schon ein bisschen nervös, das kann ich Ihnen sagen!